Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hat, dass ich auf die glorreiche Idee gekommen bin, mit dem Fahrrad ins 120 Kilometer entfernte Hamilton zu fahren.
Eine Woche vor dem geplanten Tag stürzte ich mit meinem Rad auf dem Nachhauseweg von der Bücherei, weswegen ich kurzfristig beschloss, mein altes Fahrrad wieder auszupacken und dieses zu nehmen. Dieses ist mir eigentlich etwas zu klein, aber es ist robust und hat mir bei meiner Fahrt nach Orewa schon gute Dienste geleistet.
Am Donnerstag morgen kurz nach Sonnenaufgang, packte ich ein paar Sachen in die Gepäcktaschen und machte mich gegen 8 Uhr auf den Weg. Die geplante Strecke führte mich über den neuen Radweg über Takanini nach Karaka. Von dort aus ging es an der Straße entlang weiter nach Pukekohe, wo ich meine erste Pause einlegte. Diese war eigentlich erst für das Les Batkin Reserve angedacht, wo ich das erste Mal auf den Waikato River treffen sollte. Als ich schließlich dort ankam, war aber auch schon die zweite Pause fällig. Es war ein unglaublich heißer Sommertag und irgendwie hatte ich die 28 Grad von der Wettervorhersage komplett ignoriert.

Ich wusste, dass kurz nach der Brücke über den Fluss der furchtbare Berg kommen würde. Ich wusste aber auch, dass es der einzige Berg auf der Strecke war. Also raffte ich mich auf und fuhr bereits mit einer Stunde hinter dem Plan weiter.
Und der Berg war in der Tat furchtbar. Ziemlich schnell blieb mir nur noch Schieben übrig. Aber selbst das war mit vollen Taschen bei der Hitze echt anstrengend. Glücklicherweise war auf der Straße kaum Verkehr. Mein Handy sagte, dass ich für den knapp 5 Kilometer langen Anstieg fast eine Dreiviertelstunde gebraucht hätte und dass der Streckenrekord für Radfahrer wohl bei etwa 10 Minuten läge. Die spinnen doch!

Leider ging die Strecke nicht wie erhofft direkt wieder runter zum Fluss, sondern führte eher „wellig“ weiter auf dem Hochplateau entlang. Auf einem Feld war die Zwiebelernte in vollem Gange, wodurch immer wieder Zwiebeln am Straßenrand zu finden waren und auch der eine oder andere Traktor an mir vorbei fuhren. Generell war es aber eher einsam und friedlich.
Nach einer Weile gelangte ich in Pukekawa an eine Tankstelle mit Autowerkstatt. Zuerst dachte ich, diese hätte gar keinen Tankstellenladen, aber nachdem ich eine Tafel mit Kaffeepreisen sah, hielt ich doch schnell an. Und tatsächlich war ein kleiner Laden angeschlossen, bei dem ich mir eine große Flasche Cola aus dem Kühlregal mitnahm. Herrlich bei dem Wetter.
Weiter auf dem Rad hoffte ich auf die kurz bevorstehende Abfahrt hinunter zurück zum Fluss. Aber immer weiter ging der Highway 22 auf und ab und auf und ab und langsam schwand meine Hoffnung. Endlich kam ich auf die Idee, mal auf die Karte zu schauen und merkte, dass meine Abzweigung schon etliche Kilometer hinter mir lag. Zurückfahren machte nun auch keinen Sinn mehr, aber mein Umweg kostete mich sicherlich 10 Kilometer und zwar sehr hügelige 10 Kilometer. Frustriert, unmotiviert und total am Ende meiner Kräfte hatte ich noch nicht einmal die Hälfte der Strecke nach Hamilton geschafft. Große Zweifel kamen in mir auf und ich dachte ans Aufgeben. Aber was sollte das überhaupt bedeuten? Ich konnte ja schlecht für immer hier am Straßenrand sitzen bleiben. Bene konnte mich nicht abholen, der musste ja arbeiten, falls es hier überhaupt Handyempfang gäbe, um ihn anzurufen. Alle 15 Minuten kam vielleicht mal ein Auto vorbei, aber was sollte ich dem sagen? Also nahm ich mich zusammen und schob den Berg noch vollends hinauf. Es stellte sich heraus, dass es tatsächlich der letzte Berg gewesen war und es von nun an bergab ins Tal zurück zum Fluss ging.
Von Rangiriri bis Huntly war die Straße topfeben und schnurgerade, fast schon langweilig. Den Fluss, der eigentlich direkt neben der Straße sein müsste, konnte man nicht sehen. Langweilig war mir allerdings lieber als die vorherigen Berge. Es war immer noch heiß, mir taten inzwischen die Knie und Handgelenke weh und in den kleinen Fingern machte sich ein Taubheitsgefühl breit. Das kommt davon, wenn man mit einem zu kleinen Fahrrad unterwegs ist. Hätte ich doch mal mein anderes genommen. Dann würde mir jetzt der Po weh tun statt der Hände.


Eigentlich hätte ich gegen 12.30 Uhr in Huntly sein wollen, um dann dort Mittagspause zu machen. Als ich dort ankam war es dann aber schon 16 Uhr durch. Mir war heiß, ich hatte keine Lust mehr und mir tat alles weg. Und zu allem Überfluss war meine Cola auch fast leer. Aber es war ja nicht mehr weit bis Hamilton. Nur noch 40 Kilometer oder so. Das einzig Motivierende war, dass die Strecke weiterhin immer am Fluss entlang ging und eben war.
Meine Geschwindigkeit wurde immer langsamer und die Pausen immer häufiger. Inzwischen musste ich auch auf die Toilette. Über den Tag muss ich wohl alles ausgeschwitzt haben, aber langsam wurde es dringend. Die nächste Toilette war in Ngāruawāhia, was nur 13 Kilometer von Huntly entfernt liegt. Das konnte doch gar nicht mehr so weit sein! Aber ständig anzuhalten, um auf die Karte zu gucken, brachte mich auch nicht schneller dort hin. Am Parkplatz des Hakarimata Summit Hiking Track war sie dann endlich: die beste Toilette der Welt! Ganz neu und sauber und außen sogar mit Wasserspender, wo ich mir endlich mal Gesicht und Hände waschen konnte.
In Ngāruawāhia überkamen mich generell die Glücksgefühle. Zum einen war es der letzte Ort vor Hamilton und zum anderen fing hier der neue Radweg an, der sich Te Awa River Ride nennt. Endlich nicht mehr an der Straße entlang fahren: keine Autos, Lastwägen und Baustellen mehr! Hamilton war sogar schon angeschrieben. So weit konnte es jetzt wirklich nicht mehr sein! (Spoiler: immer noch 27 Kilometer).

Um 17.30 Uhr trat ich also die letzte Etappe meines Abenteuers an. Der neue Radweg war wirklich sehr schön: idyllisch, breit, wenig Leute. Leider war er aber auch weniger eben, als ich erhofft hatte, sodass ich doch ab und zu nochmal schieben musste. Selbst an den kleinsten Anstiegen war wirklich nichts mehr zu machen.


In Pukete oder Te Rapa, beides Vororte von Hamilton, oder irgendwo dazwischen verlor ich den schönen Radweg. Angeblich sollte der am Fluss entlang bis in die Innenstadt weitergehen. Vermutlich bin ich aber der falschen Beschilderung gefolgt, da ich einfach den allgemeinen Fahrradschildern nach City Centre nachgefahren bin. Letztlich landete ich auf der Fahrradspur des 4-spurigen State Highway 4, der Hauptzufahrtsstraße nach Hamilton. Da ich den Feierabendverkehr aber schon hinter mir gelassen hatte, war das dann doch nicht so schlimm wie befürchtet.
Nach knapp 12 Stunden (fast doppelt so lange, wie ursprünglich geplant) kam ich schließlich gegen 20 Uhr im Hotel an, wo Bene bereits auf mich wartete. Er hatte die ganze Woche in Hamilton gearbeitet, weswegen ich auch diesen Tag ausgesucht hatte.
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Am nächsten Morgen musste ich um 11 Uhr aus dem Hotel auschecken, Bene machte aber erst um 15 Uhr Feierabend. Ich weiß nicht genau wie, aber irgendwie schaffte ich es, zu den 3 Kilometer entfernten Hamiton Gardens zu kommen, teils gelaufen und teils mit dem Fahrrad gefahren, je nachdem, was gerade weniger weh tat. Dort bummelte ich durch die wunderschönen Gärten, vesperte auf einer Bank und las ein Buch, bevor es am späten Nachmittag mit dem Auto wieder zurück nach Auckland ging.



Sportlich, Sportlich. Alle Achtung. Nächstes Mal für die Strecke mehr Zeit einplanen.