Ich weiß, es ist schon 2022. Am Sonntag fand aber dennoch der Auckland Marathon 2021 statt. Eigentlich war der jedes Jahr im Oktober, aber letztes Jahr wurde er Pandemie bedingt auf Januar verschoben. Damit fängt die Geschichte ja schon an. Nach meinem Halbmarathon 2020 (hier geht’s zum Bericht) habe ich das ganze Jahr für den Oktober Marathon trainiert, bis dieser dann im September nur wenige Wochen vor dem eigentlichen Termin verschoben wurde. Weil ich mit meinem Trainingsplan aber schon fast durch war, beschloss ich am ursprünglichen Termin im Oktober einen virtuellen Marathon zu rennen. Also lief ich die 42 Kilometer einfach alleine bei uns im Viertel umher, mit Bene als Support Crew. Das war schon ziemlich ätzend, aber ich schaffte es letztlich mit 4h 37min zu dem roten Auto, das wir als Ziellinie auserkoren hatten. Der viertuelle New York City Marathon, bei dem ich mich dafür angemeldet hatte, berechnete dann 4h 31min. Meine Strecke war wohl etwas hügeliger als die Strecke in New York.
Nach weiteren Wochen Training in der neuseeländischen Sommerhitze holten wir am Samstag unsere Startnummern ab: ich die gelbe für den Marathon und Bene die blaue für den Halbmarathon. Dann stellten wir den Wecker auf 4 Uhr morgens und legten unsere Sachen breit. Zur Startnummer dazu gibt es einen schwarzen Turnbeutel, den man am Start abgeben und später im Ziel wieder abholen kann. Wir packten zum Beispiel Mittagessen hinein, was zu trinken und ein paar Ersatzschuhe, damit man es bequemer hat, um zum Auto zurück zulaufen. Die Kappe gibt es auch gratis dazu.

Nach dem Aufstehen mitten in der Nacht erreichten wir gegen 5 Uhr das Parkhaus in der Innenstadt, von dem aus wir mit der Fähre nach Devonport zur Startlinie fuhren. Dort machten wir ein paar Fotos, gaben die Turnbeutel ab und wärmten uns auf. Basierend auf meinem virtuellen Marathon und dem zusätzlichen Training seitdem hatte ich mir vorgenommen, bei den Pacern für 4h 15min mitzulaufen. Das sind Freiwillige, die sich bereit erklären, genau zu einer ganz bestimmten Zeit ins Ziel zu kommen, sodass man sich nach denen richten kann. Das sind die mit den orangenen Luftballons.


In der Dämmerung fiel der Startschuss und ich lief mit ca. 850 anderen Läufern los. Schon nach zwei Kilometern gab ich meinen Plan wieder auf. Die waren einfach viel zu schnell! Mit den Pacern kann ich niemals so lange mithalten. Also ließ ich mich zurückfallen und lief meine eigene Geschwindigkeit. Nach ein paar weiteren Kilometern wurde mir auch langsam klar, warum ich mich so überschätzt hatte. Die App auf meinem Handy sagte die Kilometer immer viel früher an als die Schilder an der Straße, sodass jeder Kilometer auf meinem Handy eigentlich nur 950 Meter lang waren. Es stellte sich heraus, dass ich zuvor noch nie einen Marathon gelaufen bin. Der virtuelle Lauf war sicherlich zwei Kilometer zu kurz und somit passten auch meinen ganzen Zeiten und Geschwindigkeiten nicht. Naja, was soll’s ?
Anfang ging es quer durch Devonport und Takapuna, bis wir schließlich entlang der Autobahn SH1 zur Brücke gelangten. Inzwischen hatte sich das Feld auseinandergezogen, sodass nur noch wenige andere Läufer um mich herum waren. Aus meinem Bauchbeutel hatte ich auch schon das eine oder andere Päckchen Babybrei verputzt und die Laune war soweit ganz gut: strahlender Sonnenschein, kein Wölkchen am Himmel, tolle Aussicht auf die Stadt.
Als ich gerade am Anstieg zur Harbour Bridge war, kamen von hinten zwei Motorräder, die ziemlich rabiat alle Läufer nach links scheuchten. Ich wusste erst gar nicht, was los war, aber dann stürmte der führende Läufer des Halbmarathons an mir vorbei. Die starteten 45 Minuten nach uns und hatten mich nach 15 Kilometern schon eingeholt! Von da an rannten immer wieder schnelle Männer von hinten an uns vorbei. Als ich im Westhaven war, kamen dann wieder zwei Motorräder mit der führenden Frau im Schlepptau an mir vorbei. In der Innenstadt selbst waren nicht so viele Zuschauer, wie ich das von den beiden vorherigen Jahren gewohnt war. Die Leute witterten wohl schon den bevorstehenden Lockdown. Die schnelleren Halbmarathon-Läufer bogen letztlich zum Ziel ein, während wir noch einen kurzen Abstecher nach St. Heliers vor uns hatten. Nicht gerade motivierend. Auf dieser zweiten Hälfte gab es dann auch endlich die lang ersehnte Cola an den Verpflegungsstationen. Zuvor gab es nur Wasser und ein ganz furchtbares Elektrolytgetränk. Inzwischen wurde es auch immer wärmer, sodass viele Becher Wasser nicht in der Kehle, sondern auf dem Kopf landeten.
Als ich gerade am Fährgebäude vorbei lief, kam mir der führende Läufer des Marathons entgegen. Der war somit schon fast im Ziel, während ich gerade erst kurz nach der Hälfte war. Erneut nicht gerade motivierend.
Bei Kilometer 25, das ist ungefähr am Parnell Schwimmbad, hörte ich eine Gruppe Läufer, die sich von hinten mir näherte. Alle anderen Läufer waren entweder allein oder höchstens noch zu zweit. Die Gruppe waren aber bestimmt 10 Leute und jubelten wohl bei jedem Kilometerschild, so auch bei diesem. Ich dachte mir, was das wohl für ein komischer Verein sei. Doch als sie mich schließlich ein- und dann auch überholt hatten, sah ich die Ballons mit den Zahlen 4:30. Es waren die 4h 30min Pacer. Mein Ziel, schneller als beim virtuellen Lauf zu sein, hatte sich damit dann wohl auch erledigt.
Inzwischen wechselte sich Rennen mit Gehen regelmäßig ab, nicht nur bei mir, sondern bei so ziemlich allen um mich herum. Meine Laune war dafür noch sehr gut. Anfangs hatte ich ein bisschen News Radio gehört, später dann Musik. Die Sonne lachte, das Meer funkelte und das Leid der anderen schien sehr viel größer als meins. Mir tat nur der untere Rücken etwas weh. Nachdem ich meinen Bauchbeutel aber wie eine Handtasche über die Schulter zog, ging das auch recht schnell wieder weg. Je näher ich zum Umkehrpunkt in St. Heliers kam, desto mehr Gesichter erkannte ich wieder von Leuten, mit denen ich am Morgen losgelaufen war. Aber auch nach dem Umkehrpunkt merkte ich, dass viele bekannte Gesichter noch weit hinter mir waren. Auch der 4h 45min Pacer war noch sehr weit zurück. Zum Glück!
In Mission Bay rief mich dann Bene auf dem Handy an. Er war inzwischen im Ziel angekommen und konnte sich mit einer Zeit von 2h 12min 38sec sogar gegenüber dem letzten Jahr verbessern. Wir plauderten ein bisschen, also er plauderte und ich hörte zu, während ich mich langsam, aber stetig dem Ziel näherte. An einer Verpflegungsstation leerte mir eine der Freiwilligen auf Anfrage zur Abkühlung eine ganze Schüssel Wasser über den Kopf. Das war vielleicht toll! Ab dann ging aber mein Mikrofon nicht mehr, sodass keine weiteren Telefonate mehr möglich waren.
Als ich zurück in die Innenstadt kam, waren zum einen nur noch wenig Zuschauer am Straßenrand und zum anderen liefen etliche Athleten schon nach Hause, beispielsweise die vom Halbmarathon oder die vom 11 km-Lauf. Irgendwie fühlte es sich an, als wäre die Party schon vorbei und ich wäre zu spät dran. Naja, beim Zieleinlauf im Victoria Park waren dann doch noch recht viele Leute, die mir zujubelten, als ich nach 4h 43min 55sec endlich ins Ziel kam. Die 4:45 Pacer lagen mir sprichwörtlich im Nacken.
Auf meinem Handy war ich übrigens schon bei 44 Kilometern. Diese Technik!



Vom Lauf selbst habe ich keine Fotos. Ich war da irgendwie mit was anderem beschäftigt. Die Fotos von den offiziellen Fotografen können hier (natürlich nur mit Wasserzeichen) angeschaut werden:
https://www.sportograf.com/en/event/8191/search/a72e6878
Jetzt habe ich erstmal ein paar Tage Muskelkater und dann sitzen wir ja seit Sonntagabend auch schon wieder im Lockdown fest. Aber man wird sehen, was die Zukunft bringt!
Sau stark! Du kannst richtig stolz auf dich sein 🥳
super, mach weiter so. So sportlich kennen wir Euch gar nicht